Frank Stäbler (oben) ringt während eines Pressetermins in seiner neuer Trainingshalle mit seinem Sparringspartner Abdolmohammad Papi. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Mit Stäblers Hilfe: Flüchtling Papi deutsche EM-Hoffnung

Budapest (dpa) – Die Bilder ukrainischer Kriegsflüchtlinge, die in Deutschland ankommen, rufen bei Abdolmohammad Papi ganz spezielle Erinnerungen hervor. An seine eigene Flucht vor rund viereinhalb Jahren.

«Da kommt die ganze Geschichte innerlich wieder hoch», sagt der 34-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Papi ist Ringer. Ein sehr guter sogar. Früher kämpfte er für den Iran. Bei der aktuell laufenden Europameisterschaft in Budapest wird er am Samstag erstmals bei einem großen Turnier für Deutschland auf die Matte gehen.

Stäbler: «Potenzial, dort Gold zu holen»

«Er hat das Potenzial, dort Gold zu holen. Er gehört zu den Besten der Welt», sagt der dreimalige Weltmeister Frank Stäbler. «Er hat allerdings schon lange kein so großes Turnier mehr gerungen. Es wird spannend zu sehen sein, wie er damit zurechtkommt.» Stäbler ist für Papi eine der wichtigsten Personen, die er seit seiner Flucht aus dem Iran Ende 2017 getroffen hat. Der Schwabe half ihm, ein neues Leben aufzubauen – und auf die internationale Ringerbühne zurückzukehren.

Papi ist mehrfacher iranischer Meister, 2013 gewann er sogar Silber bei der Asienmeisterschaft. Der Weg zu einer WM oder den Olympischen Spielen blieb ihm aber stets verwehrt. Wohl auch, weil er zu viele Fragen stellte und die religiösen Ansichten in der Heimat nicht alle teilte. Er habe nicht verstanden, warum er bei einem internationalen Wettkampf nicht gegen einen Athleten aus Israel antreten solle, sagt er etwa. Er sei zwischenzeitlich sogar gesperrt und seine sportliche Lage immer düsterer geworden. Bis er das Land schließlich verließ.

«Ich hatte große Angst vor dem, was wohl kommen würde», berichtet er. «Meine Frau und ich hatten jeder nicht mehr als einen Rucksack mit Kleidern dabei, dazu unseren kleinen Sohn. Alles andere haben wir zurückgelassen.» Mit dem Schiff ging es nach Katar, von dort in die Niederlande und über die weiter nach Deutschland. Die kleine Familie wurde zunächst in Essen untergebracht, zog dann aber von einer Flüchtlingsunterkunft in die nächste. Monatelang ging das so. «Wir sprachen kein Deutsch, brauchten Spenden und Sozialhilfe», erzählt Papi über den Neuanfang. Während er in Heidelberg wohnte, kam dann der Kontakt zu Stäbler zustande. Und seine Karriere rollte wieder an.

«Bin Frank unendlich dankbar»

«Ich bin dem Deutschen Ringerbund und Frank unendlich dankbar», sagt der Iraner. Stäbler habe ihm bei allem geholfen, zum Beispiel einen Job als Nachwuchstrainer im schwäbischen Musberg und damit auch eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Oder eine dauerhafte Wohnung und im August 2021 die deutsche Staatsbürgerschaft zu kriegen. Stäbler brachte ihn auch bei seinen jeweiligen Bundesliga-Clubs unter.

Die beiden Griechisch-römisch-Ringer wurden enge Freunde – und Sparringspartner. Mehr als drei Jahre schufteten sie gemeinsam in dem zum Trainingszentrum umfunktionierten früheren Hühnerstall auf dem Hof von Stäblers Eltern. «Wir konnten viel voneinander lernen. Die Härte, die er aus der iranischen Ringerschule mitgebracht hat, konnte ich in meinen Stil einfließen lassen», sagt Stäbler über Papi.

Stäbler, der als Fan ebenfalls mit zur EM nach Ungarn reisen wird, hat seine Karriere vergangenen Sommer mit Olympia-Bronze gekrönt und dann beendet. Papi will seiner nun noch ein besonderes Erfolgskapitel hinzufügen. «Ich habe schon jetzt gewonnen», sagt er über seinen Start in der 60-Kilogramm-Klasse. «Eine Medaille wäre ein Bonus.» Er spricht inzwischen gut Deutsch, sein Sohn ist knappe sechs Jahre alt und hat noch eine Schwester (3) dazu bekommen. Kürzlich ist die Familie nach Remscheid gezogen. Wenn sie die Bilder aus der Ukraine sieht, denkt sie zurück an ihren Aufbruch in ein neues Leben.