Schachspielerin Mütsch: Fast jede Spielerin erlebt Sexismus
Berlin (dpa) – Nach Ansicht der deutschen Nationalspielerin Annmarie Mütsch wird nahezu jede Frau im Schachsport mit Sexismus konfrontiert.
«Ich kenne fast keine Frau im Schach, die keine Erfahrungen mit Sexismus gemacht hat», sagte Mütsch in einem «Spiegel»-Interview. Sie habe schon so viele Kommentare gehört, «dass es mir kaum mehr auffällt. Ich habe gelernt, besser damit umzugehen. Aber für Mädchen im Teenageralter ist so was wirklich schädlich.»
Offener Brief gegen Sexismus
In einem offenen Brief, den 14 französische Schachspielerinnen in der vergangenen Woche veröffentlicht hatten und den mittlerweile mehr als 100 Frauen unterschrieben haben, wird sexistisches Verhalten von männlichen Kollegen angeprangert. «Seitdem ich den Brief unterschrieben habe, habe ich mehr darüber nachgedacht, was ich für Vorfälle erlebt habe. Mir ist so viel eingefallen, das mir bislang gar nicht so bewusst war», sagte Mütsch.
Sie habe schon auf Turniere verzichtet, weil dort bestimmte Männer mitgespielt hätten und sie sich deswegen unwohl gefühlt hätte. «Ich wollte manche Leute dort nicht antreffen. Deswegen habe ich darauf verzichtet, dort zu spielen», erklärte die 21-Jährige.
Ein Problem in Fällen sexueller Gewalt sei, dass sich Betroffene allein fühlten und befürchteten, dass ihnen niemand glaube, sagte Mütsch. Sie hoffe, dass die Initiative einen #MeToo-Moment im Schach auslöse und Frauen helfe. Sie wünscht sich, dass es bei Turnieren weniger Probleme mit Sexismus gibt: «Aber ganz wird man das nicht verhindern können.»
Vergleich mit Männern erwünscht
Reine Frauen-Turniere sind für sie keine Lösung. «Es wäre falsch, wenn Frauen wegen des Verhaltens einiger Männer nur noch Turniere unter sich spielen würden. Ich möchte mit den Männern auf einem Level spielen», meinte Mütsch.
Der Weltverband Fide reagierte bisher nicht auf die Vorwürfe. «Aber ich glaube nicht, dass er das Thema ignorieren kann», sagte Mütsch.