In Magdeburg trainieren sie zusammen, jetzt sind sie gemeinsam bei der WM: Florian Wellbrock und Mychajlo Romantschuk. Foto: Jo Kleindl/dpa

Romantschuks schwierige WM: Krieg im Kopf, Becken vor Augen

Fukuoka (dpa) – Vor wichtigen Spielen, Wettkämpfen oder Rennen erklären Sportler gerne, ihren vollen Fokus darauf zu richten. Alles andere wird ausgeblendet.

Für Mychajlo Romantschuk ist das bei den Schwimm-Weltmeisterschaften in Japan nicht leicht. Der Ukrainer berichtete zuletzt davon, regelmäßig vom Krieg in seiner Heimat zu träumen. Er bangt um seine Karriere. Trotzdem will er in Fukuoka um Medaillen schwimmen und dabei auch seinen Kumpel und Trainingspartner Florian Wellbrock bezwingen.

Mit bangem Blick schaut der 26-Jährige zudem auf drängende sportpolitische Themen. Dürfen russische und belarussische Athleten bald wieder gegen ihn schwimmen? Wann eine Entscheidung fällt, ist offen. Romantschuk muss mit der Ungewissheit klarkommen.

Karriere «hängt an der Regierung»

«Wenn sie tatsächlich grünes Licht geben für russische Athleten, wieder an Wettkämpfen teilzunehmen, hängt alles an der ukrainischen Regierung. Es ist dann nicht mehr meine Entscheidung, ob ich meinen Beruf weiter ausüben kann oder nicht», sagte er jüngst der «Süddeutschen Zeitung». Die Ukraine hatte zuletzt ihren Sportlern die Teilnahme an Wettbewerben untersagt, bei denen Russen oder Belarussen dabei sind.

In Japan sind keine russischen Sportler dabei. Der Weltverband World Aquatics unterstützt aber grundsätzlich die Empfehlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), sie unter bestimmten Voraussetzungen als neutrale Athleten wieder starten zu lassen. Eine Taskforce befasst sich damit.

Romantschuks Trainingskollegen und Freunde in Magdeburg haben diesbezüglich eine klare Meinung. Ob Olympiasieger Wellbrock oder die beiden Freistil-Asse Lukas Märtens und Isabel Gose: Sie alle wünschen sich, dass Russen ausgeschlossen bleiben.

Märtens: «Würde es nicht begreifen»

«Ich stehe da voll hinter Micha und würde es nicht begreifen, wenn Russen und Belarussen wieder dabei sein dürften», sagte Märtens der Deutschen Presse-Agentur. Der Vizeweltmeister über 400 Meter Freistil drückte seine Hochachtung für Romantschuk aus, den Langstrecken-Bundestrainer Bernd Berkhahn nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im vergangenen Jahr in seine starke Trainingsgruppe aufgenommen hatte.

«Man kann nicht sagen, was in seinem Kopf vor sich geht. Ich möchte jedenfalls nicht mit ihm tauschen», sagte Märtens. «Er macht sich sehr viele Gedanken. Ich habe Respekt, wie er seinen Sport so durchzieht.»

In Fukuoka hielt sich Romantschuk bislang zurück, trat öffentlich kaum in Erscheinung. Im Freiwasserrennen über fünf Kilometer kam er nicht an seine Bestleistung heran und belegte nur Rang elf. Direkt nach dem Rennen suchte er den Kontakt zu Berkhahn. Romantschuk vertraut dem 52-Jährigen – sportlich und privat. Die beiden sprechen über Sport, aber auch über die Geschehnisse in Romantschuks Heimat.

Für die am Sonntag beginnenden Rennen im Becken – Romantschuks Paradedisziplin – ist der Coach trotz der komplizierten Situation seines Schwimmers zuversichtlich. «Da bin ich sehr optimistisch eingestellt. Er ist sehr gut unterwegs und gut drauf», sagte Berkhahn. Doppel-Weltmeister Wellbrock sieht das ähnlich. «Micha würde ich auf keinen Fall abschreiben, nur weil es im Freiwasser nicht so gut geklappt hat», sagte er. «Ich habe ihn jetzt das ganze Jahr über im Training verfolgen können und gesehen, was er kann. Und das ist schon eine ganze Menge.»