Olympia-Revanche perfekt: Ovtcharov spielt gegen Ma Long
Frankfurt/Main (dpa) – In Frankfurt werden in dieser Woche auch Tischtennisprofis wie Popstars empfangen. Der Weg zum Tisch in der Mitte der Arena führt über einen farbig umrandeten Laufsteg. Sobald ihn ein Spieler betreten hat, gehen das Hallenlicht aus und eine Menge wilder Scheinwerfer-Effekte an. Es ist das Showkonzept der neuen Turnierserie «World Table Tennis» (WTT).
Und niemand wird von dieser Atmosphäre beim ersten internationalen Wettbewerb in Deutschland seit fast vier Jahren mehr getragen als der deutsche Topspieler und frühere Weltranglistenerste Dimitrij Ovtcharov. «Wenn man so lange nicht mehr gespielt hat in Deutschland und dann sieht: so viele Leute, so eine Sportbegeisterung. Es ist schön, wieder hier zu sein», sagte der 35-Jährige.
Ovtcharov begann beim «WTT Champions Frankfurt» mit einem Sieg gegen seinen Lieblingsgegner Marcos Freitas aus Portugal und rang dann mit einer bemerkenswerten Leistung den ehemaligen Vize-Weltmeister Mattias Falck aus Schweden nieder. Am Freitag im Viertelfinale kommt es nun zur großen Olympia-Revanche: Ovtcharov gegen den dreimaligen Weltmeister und zweimaligen Olympiasieger Ma Long.
Rückblick: Olympia-Halbfinale 2021
Zur Erinnerung: 2021 lieferten sich beide in Tokio ein episches Halbfinal-Duell, das der Chinese erst mit 11:9 im entscheidenden siebten Satz gewann. Kein zweites Match hat dem Tischtennis-Sport in Deutschland in diesem Jahrhundert mehr Aufmerksamkeit beschert als dieses. «Das war eines der besten Spiele aller Zeiten», sagte Ovtcharov. «Es hat nach einem Spiel aber auch noch nie so weh getan wie nach diesem Halbfinale.»
19 Mal hat er bei internationalen Turnieren bislang gegen Ma Long gespielt – und 19 Mal verloren. «Ich freue mich trotzdem auf das 20. Duell», sagte Ovtcharov. «Er ist der beste Spieler aller Zeiten. Man muss sich nicht schämen, gegen ihn so oft verloren zu haben. Es gibt keinen Spieler, der eine positive Bilanz gegen ihn hat.» Er glaube zwar nicht, «dass ich am Freitag besser spielen werde als in Tokio. Aber ich glaube weiter an mich!»
Verletzungen und fehlende Konstanz
Solche Sätze wieder von Ovtcharov zu hören, ist nicht selbstverständlich. Denn nach dem Gewinn der Bronzemedaille in Tokio begann für ihn die wohl härteste Zeit seiner Karriere. Wegen einer schweren Knöchelverletzung musste er gleich zweimal operiert werden. Aus Protest gegen den Angriffskrieg in der Ukraine verließ er nach fast zwölf Jahren seinen russischen Club Fakel Orenburg. Ovtcharov hatte danach große Probleme, konstante Leistungen zu zeigen. Bei der Weltmeisterschaft im Mai schied er schon in der dritten Runde aus.
Jetzt ist er wieder in Form und hat im harten internen Rennen um nur zwei deutsche Einzel-Plätze bei den Olympischen Spielen 2024 deutlich bessere Karten als sein enger Freund und langjähriger Teamkollege Timo Boll. «Mein Ziel ist es nicht, dabei zu sein. Sondern mein Ziel ist es, in Paris erfolgreich zu sein», sagte Ovtcharov. «Letzte Woche war ich im Finale in Antalya und jetzt bin hier im Viertelfinale. Ich stehe aktuell auf jeden Fall zwei Schritte weiter vorn als vor zwei, drei Monaten.»
Auf Ovtcharovs großen Ehrgeiz und Trainingsfleiß kann sich der deutsche Bundestrainer Jörg Roßkopf verlassen. «Es ist immer noch so, dass Dimitrij Ovtcharov viele Ideen hat und viele Dinge umsetzen will. Er geht gern viele Schritte voran, während Timo immer noch der ruhige, ausgleichende Part ist», sagte der frühere Doppel-Weltmeister über das Binnenverhältnis seines erfolgreichen Teams.
Ovtcharov äußert Kritik an neuer Turnierserie
Dazu passt auch, dass Ovtcharov in Frankfurt am Main der einzige von 32 Weltklasse-Spielern ist, der die wachsende Kritik an der neuen WTT-Turnierserie auch öffentlich äußert. Die Veranstaltungstochter des Weltverbandes ITTF löste während der Corona-Pandemie die bisherige World Tour ab und verkündete das ehrgeizige Ziel, einen Turnierkalender nach dem Vorbild der weltweiten Tennis-Tour zu etablieren: vier Grand-Slam-Wettbewerbe, die Tischtennis Grand Smash heißen. Deutlich höhere Preisgelder. Eine bessere Vermarktung.
In Frankfurt ist gerade gut zu erkennen, wie das im Detail langfristig einmal aussehen kann. Aber Ovtcharov sagte der ARD auch klar: «Von dem großen System im Ganzen sind wir wirklich noch weit weg. Im Raum standen mal vier Grand-Smash- und sechs Champions-Turniere. Aktuell schaffen wir nicht einmal die Hälfte. Auch das Preisgeld wurde leider immer wieder reduziert.» Deshalb hoffe er, «dass es im Gesamtpaket mal dahin kommt, so wie es versprochen wurde.» Bis dahin muss die große bunte Show in Frankfurt als Anreiz erst einmal reichen.