Irlands WM-Fluch hält an: Kein Happy End für Legende Sexton
Paris (dpa) – Mit Tränen in den Augen stand der große Johnny Sexton im Stade de France und konnte Irlands Weltmeisterschaftsfluch nicht fassen.
Der Routinier hatte das wohl beste irische Rugby-Team der WM-Geschichte in das Turnier in Frankreich geführt und eine ganze Insel von Gold träumen lassen – zigtausende freudetrunkene Fans waren über den Kanal gekommen und hatten Frankreichs Städte in den vergangenen Wochen grün eingefärbt. Am Ende aber war nach einem 24:28 gegen Neuseeland doch wieder im Viertelfinale Endstation für Irland.
Mit dem 90er-Jahre-Welthit «Zombie» der Rockband Cranberries, dem irischen Anfeuerungssong dieses Turniers, hatten die Anhänger ihr Team eigentlich ins Halbfinale singen wollen. Wie ein Zombie wirkte dann aber der 38-jährige Sexton nach seinem letzten Länderspiel, als die Partie vorbei war und die Neuseeländer feierten. Der beste Punktesammler des irischen Rugbys und Welt-Rugbyspieler von 2018 beendet seine Karriere unvollendet.
Trost vom Sohn
Noch auf dem Rasen holte Sexton seinen Sohn Luca zu sich, auch der Knirps wischte sich mit dem Pulloverärmel Tränen aus dem Gesicht. Auf TV-Bildern war dann zu sehen, wie der kleine Junge zum enttäuschten Papa hochblickte – von seinen Lippen konnte man ablesen: «Du bleibst der Beste, Dad.» Es war zumindest ein kleiner Trost.
Ansonsten war der sportliche Schmerz riesengroß bei den Iren, die es bei zehn Weltmeisterschaften nie in ein WM-Halbfinale geschafft hatten und nun zum vierten Mal nacheinander in der Runde der letzten Acht ausschieden. «Der Traum ist mal wieder geplatzt», schrieb die «Irish Times» und ergänzte: «Weil wir wegen dieser irischen Mannschaft mehr als bei allen neun WM-Vorgängern zu Träumen gewagt haben, fühlt sich diese neue Viertelfinal-Niederlage schlimmer an als je zuvor.»
Die irischen Weltranglistenersten verpatzten den Start und lagen nach gut 20 Minuten mit 0:13 in Rückstand. Danach kämpften sie sich aber immer wieder heran, in der atemberaubenden Schlussphase gelang das finale Comeback dann nicht mehr. «So ist der Sport, so ist das Leben», sagte Sexton im irischen Fernsehen, «man kriegt nicht immer das, was man verdient. Wir sind so oft zurückgekommen, nachdem uns ins Gesicht geschlagen wurden. Ich bin sehr stolz auf diese Truppe.»
Siegesserie gerissen
17 Spiele war die Auswahl mit dem Kleeblatt auf der Brust zuvor ungeschlagen. Viele Experten sahen das Team – das sowohl die Republik Irland als auch Nordirland vertritt – bereit für den größten Erfolg ihrer Geschichte. Doch es sollte wieder nicht sein. «Es war eine Freude, mit den Spielern zu arbeiten», sagte Chefcoach Andy Farrell im Rückblick auf die vergangenen Jahre und erwähnte auch die Verbindung des Teams zu den Fans, «es war wie eine große Familie. Ich bin unglaublich stolz, zu all dem dazuzugehören. Traurig ist, dass für diese Gruppe wohl das Ende erreicht ist.»
Er meinte damit vor allem das Karriereende von Kapitän Sexton und anderer Akteure. Der Trainer forderte seine Truppe und die Fans auf, nach einem ersten Moment der Trauer «so schnell wie möglich wieder zu lächeln» und Leute wie Sexton zu feiern für das, was sie für Irlands Rugby geleistet haben. «Ich hatte die beste Zeit meiner Karriere», sagte der Kapitän.
Beim Kampf um die Medaillen ist indes einmal mehr Neuseeland dabei, der dreimalige Champion vom anderen Ende der Welt trifft im Halbfinale auf Argentinien. Der Außenseiter aus Südamerika hatte in Marseille überraschend Wales mit 29:17 (6:10) geschlagen.