Gold im Eiskanal – Umdenken im Weltverband wegen der Dürre
Augsburg (dpa) – In der Szene ist von der «Streif des Sommers» oder der «Mutter aller künstlichen Kanuslalomstrecken» die Rede. Aber warum heißt die WM-Strecke in Augsburg bei derzeit fast 30 Grad Celsius Eiskanal?
Die Eisschollen, die teilweise bis zu den ersten Trainingsfahrten nach dem Winter noch hinter den insgesamt 35 Betonhöckern präsent sind, gaben der Wildwasserstrecke ihren Namen.
WM in Klima-Krise
Nun freuen sich die Weltklasse-Athleten im Hochsommer über jede noch so kleine Erfrischung. Und über tosendes Wasser. Denn die so lang herbeigesehnte WM 50 Jahre nach Olympia in München drohte ins (fehlende) Wasser zu fallen. «Es war die erste WM, die wegen der Klima-Krise auf der Kippe stand», sagte der deutsche Weltverbands-Präsident Thomas Konietzko.
Nach einigen Trainingsabsagen sind die Titelkämpfe auf dem für 21 Millionen Euro sanierten Wildwasserkanal angelaufen. Eine provisorisch in einen Nebenarm des Eiskanals eingebaute Betonwand staut das Wasser auf, damit die vierte WM nach 1957, 1985 und 2003 bis Sonntag planmäßig absolviert werden kann. Mehr Eingriffe sind bei der geschützten Strecke wegen des Status als Weltkulturerbe nicht möglich.
Auftakt-Gold für deutsche Kajak-Teams
Als feststand, die WM kann starten, waren die Sportler erleichtert. «Der Eiskanal ist mein Happyplace», sagt Tokio-Olympiasiegerin Ricarda Funk. Die Kajak-Weltmeisterin vom KSV Bad Kreuznach trainiert seit zehn Jahren in Augsburg, kennt jedes Detail. So führte sie das deutsche Trio gleich im ersten Wettbewerb am Mittwoch zum WM-Titel. «Dass alle drei Fahrerinnen alles so treffen, das ist schon cool. Ich weiß nicht, wann ich das schonmal so erlebt habe», sagte Funk zum Auftakt-Gold mit Jasmin Schornberg und Elena Lilik (ehemals Apel).
Lilil, im Vorjahr Überraschungs-Weltmeisterin im Canadier, war sichtlich ergriffen. «Mir war schon ein bisschen schlecht, ich war mega aufgeregt. Man will im Team auch keinen Fehler machen. Das war der beste Mannschaftslauf, den wir je gefahren sind», sagte sie. Sie verbindet mit dem Eiskanal ihre komplette Kindheit. «Ich habe hier jede freie Minute meiner Kindheit verbracht, am Wasser, am Eiskanal. Sei es beim Schwimmen, Picknicken oder Spielen.»
Heim-WM sei «das Größte»
Auch Medaillen-Garant Sideris Tasiadis aus Augsburg will das ganze Drumherum aufsaugen. «So eine Heim-WM mitzufahren, ist das Größte, was man in seiner Sportkarriere erleben darf», sagte der Olympia-Dritte von Tokio, der im Canadier noch nie einen Einzel-WM-Titel geholt hat. Auch mit dem Team ging er leer aus. Anders der Olympia-Dritte Hannes Aigner, der im Kajak 2018 schon WM-Gold holte und zum Auftakt im Team mit Noah Hegge und Stefan Hengst siegte.
Und dennoch müssen die Wassersportler in Zukunft umdenken. Konietzko will wie schon öfters praktiziert die Welttitelkämpfe eher im Spätsommer stattfinden lassen. Auch bessere Planungen mit kürzeren Wegen auf einem Kontinent sind denkbar. Selbst Einheitsboote, um die Transporte der Boote weltweit zu minimieren, sind schon Bestandteil der Überlegungen. Auch wenn es beim Thema Material – wie er offen zugibt – noch einige Widerstände bei den einzelnen Nationen gibt.