Samstag, November 9, 2024
Es sieht aus, als würde Surfer Gabriel Medina in der Luft schweben Foto: Jerome Brouillet/AFP/dpa

Die Aufreger und Hingucker der Olympischen Spiele von Paris

Paris (dpa) –

Prominentes Olympia-«Maskottchen»

Das eigentliche Maskottchen der Spiele ist Phryge, doch Hiphop-Star Snoop Dogg hat sich in Paris zum inoffiziellen Maskottchen gemausert. Der US-Rapper tingelte von Event zu Event, unter anderem schaute er beim Dressur-Finale in stilvoller Montur samt Reithose, Jackett, Handschuhen und schwarzem Helm vorbei. Immer begleitet von zahlreichen Fans und Kameras. Snoop Dogg war als Sonderkorrespondent für den US-Sender NBC in Paris – und ist nun auch Teil der olympischen Familie. Als einer der letzten Promis vor der Eröffnungsfeier durfte der 52-Jährige die olympische Fackel tragen.

Kulturkampf

Frauenboxen? Eine Randsportart, selbst bei Olympia. Normalerweise. Doch in Paris war das anders. Bei Kämpfen der Algerierin Imane Khelif und Lin Yu-ting aus Taiwan kamen Hunderte Journalisten aus aller Welt. In der Geschlechter-Debatte ging es nicht nur um sportliche Fairness, sondern auch um die brisante Frage geschlechtlicher Identität und Vorwürfe von Desinformation. Bei der WM wurden Khelif und Lin nach Geschlechtertests vom Verband IBA, der vom IOC nicht anerkannt wird, ausgeschlossen. In Paris durften sie aufgrund ihres im Pass eingetragenen Geschlechts starten. Khelif gab mit dem emotionalen Olympiasieg die ihrer Meinung nach «richtige Antwort» auf die «Kampagne».

Schlechter Verlierer

Die Strafe für seinen Ausraster gegen das deutsche Hockeyteam kassierte der Niederländer Duco Telgenkamp bei der Siegerehrung. «Die Fans haben ihn ausgebuht, als er die Medaille bekommen hat. Eine größere Schande gibt es gar nicht», sagte der deutsche Torhüter Jean-Paul Danneberg. Vor ihm hatte sich Telgenkamp nach dem niederländischen Finalsieg aufgebaut, den Zeigefinger über den Mund gelegt und den Keeper am Helm angefasst. Es folgte eine heftige Rudelbildung – und eine Entschuldigung des Provokateurs: «Es war nicht so klug von mir.» Ihm passte Dannebergs vorher getätigte Aussage nicht, dass die Holländer «richtig Angst» vor dem deutschen Team hätten.

Braune Brühe

Der nach oben gezeigte Daumen von Leonie Beck war zweifelsohne sarkastisch gemeint. Denn das, was die Freiwasser-Europameisterin auf Instagram zu dem Bild schrieb, klang alles andere als gut: Neunmal habe sie sich übergeben müssen, Durchfall kam noch dazu. Drei von vier deutschen Freiwasserschwimmern hätten gesundheitliche Probleme davongetragen, teilte der Deutsche Olympische Sportbund mit. Die Wasserqualität der Seine sorgte für viele Diskussionen und auch für eine Verschiebung bei den Triathlon-Männern. 1,4 Milliarden Euro wurden in Kläranlagen und ins Abwassersystem investiert, damit das Schwimmen im Herzen von Paris stattfinden und prächtige Bilder liefern konnte. Aber zu welchem Preis? Triathlon-Mixed-Olympiasiegerin Lisa Tertsch war mit Gold um den Hals gelassen: «Wenn ich in zwei Tagen krank werde, ist das für mich auch in Ordnung.»

Vermummt in den Ring

Schwarze Ski-Maske, verspiegelte Sonnenbrille, die Haare jeweils zur Hälfte lila und grün gefärbt: Die US-Kugelstoßerin Raven Saunders trug wohl das aufsehenerregendste Wettkampf-Outfit. Schon vor drei Jahren in Tokio, als sie Silber gewann, trug sie während des Wettbewerbs eine Hulk-Maske. Saunders will mit ihren extravaganten Outfits aber weniger auf sich selbst aufmerksam machen, sondern auf in der Gesellschaft unterdrückte Gruppen, zu denen sie sich selbst zählt: People of Color, Menschen mit psychischen Problemen und die LGBTQ-Community. 

Fantastische Kulisse und feinfühliger DJ

Es war wohl das beliebteste Motiv für die Olympia-Touristen: Ein Bild von der Beachvolleyball-Arena im Schatten des Eiffelturms. Auch die Athleten selbst genossen den Anblick sehr. «Eine geile Kulisse, atemberaubend», sagte Louisa Lippmann. Und der DJ der Anlage heizte nicht nur mit Party-Mucke ein, er bewies auch Feinfühligkeit. Als es im Frauen-Finale zu einem lautstarken Streit zwischen den Spielerinnen kam, legte er «Imagine» von John Lennon auf – und sorgte mit dem Klassiker über eine friedliche Welt für eine einmalige Atmosphäre. Die Spielerinnen grinsten, die Fans schwenkten die Arme in der Luft und sangen lauthals mit.

Französische Küche? Eher «Würmer im Fisch»

Eine Luxusherberge waren olympische Dörfer noch nie. Die Kritik an der spartanischen Einrichtung kam also nicht überraschend, die an dem Essen war aber ungewohnt heftig. «Ich mag meinen Fisch und Leute haben Würmer im Fisch gefunden», sagte Großbritanniens Schwimmstar Adam Peaty der britischen Zeitung «i». Bemängelt wurden zudem die wenigen Proteinoptionen und zu lange Warteschlangen. Die Organisatoren besserten zwar nach, doch von der viel gerühmten französischen Küche erlebten die Olympiastarter in der Mensa so gut wie nichts.

Pikante Polizei-Einsätze 

Auch Olympiasportler sind nicht alle Heilige. Der australische Hockeyspieler Tom Craig wurde wegen des Kaufs von Kokain festgenommen und verbrachte eine Nacht in Gewahrsam. Es folgte eine kleinlaute Entschuldigung vom künftigen Bundesligaprofi des Hamburger Polo Clubs. Ein ägyptischer Ringer machte in Paris ebenfalls Bekanntschaft mit der Polizei. Ihm wurde laut Staatsanwaltschaft vorgeworfen, in einer Bar die Hand auf den Po einer Frau gelegt zu haben. 

Toilettenpause im Amélie-Café 

Als das Straßenrennen für Nils Politt bereits gelaufen war, bekam der deutsche Radprofi plötzlich Magenprobleme. Er benötigte dringend ein stilles Örtchen – und stoppte für die Toilettenpause am berühmten «Café des 2 moulins» aus dem Film «Die wunderbare Welt der Amélie». Auf der Plattform X kursierten diverse Videos, die Politt in dem von Fans überfüllten Café zeigten. Offenbar erleichtert lächelnd bahnte sich der Klassiker-Spezialist seinen Weg durch die Menge, kletterte über die Absperrung und stieg wieder aufs Rad. Das Ziel erreichte Politt abgeschlagen auf Platz 70 mit fast 20 Minuten Rückstand.

Gehört Olympia zum Recht auf Rehabilitation?

So viele Journalisten waren seinetwegen gekommen, doch der Niederländer Steven van de Velde sprach nicht. Stattdessen wurde sein Beachvolleyball-Partner Matthew Immers mit Fragen gelöchert. «Ihnen ist schon klar, dass das damals ein zwölfjähriges Mädchen war, oder?», blaffte ein Journalist hörbar entrüstet. Vor acht Jahren war van de Velde in England wegen sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Zum Tatzeitpunkt war er 19 Jahre alt. Insgesamt verbrachte er etwas mehr als ein Jahr im Gefängnis. Danach sprach er in einem TV-Interview vom «größten Fehler meines Lebens». In Paris durfte er trotz dieser Vorgeschichte starten, das IOC verwies auf das Recht auf Rehabilitation. Im olympischen Dorf übernachtete van de Velde aber nicht.

«Halt die Fresse»-Ansage vom eigenen Trainer

Im Sport fallen oft deftige Worte, gerade bei Ansprachen der Trainer. Nur meistens bekommen die Fans das nicht mit. Beim Vorrundenspiel der deutschen Hockey-Frauen gegen Frankreich war das aber anders, da war für die TV-Zuschauer gut hörbar, wie Bundestrainer Valentin Altenburg seine Spielerin Anne Schröder verbal scharf angriff: «Anne, halt jetzt die Fresse und komm her, das nervt mich, deine Körpersprache.» Schröder nahm es ihm nicht übel. Sie habe «eine kurze Ansage bekommen», erklärte die 29-Jährige und hob das «sehr, sehr enge Vertrauensverhältnis» zueinander hervor.

TV-Ärger 

Ärger über die Fernseh-Übertragungen gibt es bei jedem Sport-Großevent, vor allem im Zeitalter von Social Media scheint die Empörung oft groß. Bei einer Sache entschuldigte sich das ZDF nun bei den Zuschauern: Der Ausstieg aus der Übertragung des Olympia-Halbfinals der 3×3-Basketballerinnen im linearen Programm wenige Sekunden vor Schluss zugunsten einer Werbung und der «heute»-Sendung sei «ein Fehler» gewesen, gab ZDF-Sportchef Yorck Polus zu. Für die ebenfalls kritisierten zahlreichen Fan-Einblendungen konnten ARD, ZDF und Eurosport aber nichts. Das Signal produzierte der Olympic Broadcasting Service, und der wollte nach den Corona-Spielen in Tokio unbedingt die «unglaubliche Atmosphäre in den Austragungsorten der Spiele in Paris einfangen».

Das beste Erinnerungsfoto

9,90 Punkte. Gabriel Medina schrieb auf Tahiti mit der höchsten Wertung des olympischen Surfens Geschichte, als er eine brachiale Welle perfekt erwischte. Doch das allein war es nicht, was den Brasilianer plötzlich weltberühmt machte. Sondern das spektakuläre Foto, das der Franzose Jérôme Brouillet schoss, als Medina feiernd abhob. Es wirkt so, als stünde Medina in der Luft. Ganz zufrieden mit der Bewertung seines Wellen-Ritts war der spätere Olympia-Dritte nicht («Es fühlte sich an wie eine 10»). Ein besseres Erinnerungsfoto der Spiele von Paris hat aber kein anderer Sportler von sich. 

Dragqueens stechen Dion aus

Wenn nicht der spektakuläre Comeback-Auftritt von Céline Dion hoch oben auf dem Eiffelturm das größte Gesprächsthema nach der Eröffnungsfeier ist, dann muss etwas Außergewöhnliches passiert sein. Es hat sich sogar Ungeheuerliches zugetragen – meinten zumindest rechtskonservative Politiker wie Donald Trump, Vertreter der katholischen Kirche und der Vatikan selbst. Sie nahmen Anstoß an einer Szene, die einige Zuschauer an Leonardo da Vincis berühmtes Gemälde «Das letzte Abendmahl» erinnerte, bei dem Jesus Christus und seine Apostel dargestellt sind. Bei der Eröffnungsfeier traten an dieser Stelle Dragqueens, ein Transgender-Model und ein fast nackter Sänger auf. Der Regisseur und die Olympia-Organisatoren stellten allerdings klar: Es handelte sich um eine Darstellung eines Gelages mit Figuren aus der griechischen Mythologie rund um den Gott Dionysos. 

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