Michael Smith feiert mit der Sid Waddell Trophäe seinen Finalsieg. Foto: Zac Goodwin/PA Wire/dpa

Denkwürdiges Finale: Smith erstmals Darts-Weltmeister

London (dpa) – Weltmeister Michael Smith rannte so schnell wie möglich von der größten Darts-Bühne der Welt und herzte die eigene Familie. Als er zurück war, küsste er noch vor der Siegerehrung die 25 Kilogramm schwere Sid Waddell Trophy.

Der 32 Jahre alte Engländer hat sich in einem denkwürdigen Finale erstmals die WM-Krone aufgesetzt und ein Stück Darts-Geschichte geschrieben. Smith setzte sich nicht nur mit 7:4 gegen den Niederländer Michael van Gerwen durch, sondern warf in dem Endspiel auch einen Neun-Darter und wird nach dem Triumph von London erstmals die Weltrangliste anführen. 

«Das klingt atemberaubend», sagte Smith, nachdem er die Trophäe freudig und ausgelassen in den Konfettiregen recken durfte. Immer wieder kämpfte der Engländer mit seinen Gefühlen, bei Rivale van Gerwen entschuldigte er sich sogar. «Ich möchte diesen Sport übernehmen, aber Michael ist immer noch hier», fügte Smith angriffslustig an. Von den Rängen erklang noch in der Schlussphase des Spiels «It’s coming home». Was Englands Fußballer in Katar verpassten, vollbrachte nun Smith im Alexandra Palace: Weltmeister!

Nach einem starken Turnier und einem furiosen Finale sind 500.000 Pfund (rund 565.000 Euro) und die 25 Kilogramm schwere Sid Waddell Trophy der Lohn für den «Bully Boy», der einen Tag nach dem Halbfinal-Sieg über den Deutschen Gabriel Clemens als Außenseiter in die Partie gestartet war.

Finale mit Spannung erwartet

Für van Gerwen, der seinen Teil zu einem der besten WM-Endspiele der Geschichte im Alexandra Palace beitrug, ist die Rückkehr auf den Darts-Thron verschoben. Neben drei Titeln (2014, 2017 und 2019) hat sich der 33-Jährige nun auch schon in drei weiteren WM-Endspielen geschlagen geben müssen.

Es war das mit Spannung erwartete Traumfinale, in dem es nicht nur um die WM-Krone, sondern auch um die Nachfolge von Primus Gerwyn Price (Wales) ging. Bei van Gerwen passten die herausragenden Leistungen und die ganz breite Brust exzellent zueinander. «Er wird mich nicht stoppen. Niemand wird mich stoppen. Ich fühle mich selbstbewusst, ich fühle mich gut und ich spiele gute Darts», kündigte der frühere Fliesenleger nach fünf deutlichen Siegen bei der WM an.

Smith, der Clemens mit 6:2 im Halbfinale besiegt hatte, war nicht besonders hoch gehandelt worden. 37 von 50 direkten Duellen hatte er verloren, auch die Statistiken, die Jahresbilanz 2022 sowie die Erfahrung in den ganz großen Endspielen sprachen gegen den «Bully Boy». «Wenn ich gut spielen musste, habe ich es getan. Ich habe die richtigen Dinge zur richtigen Zeit gemacht», sagte Smith über sein Turnier im «Ally Pally». Richtig knapp wurde es aber nur beim 4:3 über den Deutschen Martin Schindler in Runde drei.

Geschichtsträchtige Darts-Momente

Auch nach Clemens‘ Aus waren einige deutsche Fans vertreten, ein paar verkleideten sich als Fans der Privat-TV-Sendung Dschungelcamp. Bis die Party auf der riesigen Bühne begann, verging einige Zeit. Über eine halbe Stunde nach der geplanten Startzeit 21.00 Uhr legten Smith und van Gerwen erst los. Und wie: In Satz zwei trugen sich geschichtsträchtige Darts-Momente zu. «Mighty Mike» warf acht perfekte Darts, im direkten Gegenzug gelang Smith ein seltener Neun-Darter, den es bei dieser WM noch überhaupt nicht und in einem WM-Finale seit zwölf Jahren nicht gegeben hatte. Das Publikum tobte nach diesem perfekten Durchgang.

Zum ersten Mal in diesem Turnier bekam van Gerwen Probleme. Nach dem emotionalen Neun-Darter hatte Smith kurzzeitig das Momentum auf seiner Seite, das Publikum war in dem hochklassigen Match sowieso auf der Seite des Engländers. Smith führte mit 2:1, es war van Gerwens erster WM-Rückstand in sechs Spielen. Doch der Mann im grellgrünen Shirt brauchte nicht lange, um sich zu erholen. Kurze Zeit später hatte er zwei aufeinanderfolgende Sets gewonnen und die Führung zurückgeholt – es sollte die letzte an diesem Abend bleiben. Es war ein Spektakel, bei dem beide Akteure zeitweise an Pfeilwurf-Maschinen erinnerten. Am Ende setzte sich der Engländer verdient durch.