Auf Biedermanns Spuren? Märtens als Olympia-Favorit
Paris (dpa) – Bei seiner Jagd nach Olympia-Gold und Weltrekord hat Lukas Märtens einen berühmten Fan. Weltrekordhalter Paul Biedermann drückt dem 22-Jährigen bei der Doppel-Mission im Rennen über 400 Meter Freistil die Daumen. «Ich würde mich freuen, wenn Lukas den Rekord unterbieten könnte», sagte Biedermann der Deutschen Presse-Agentur zu seiner eigenen legendären Bestmarke von 3:40,07 Minuten, die seit 2009 unübertroffen ist. Gleich der Auftakt des Schwimm-Spektakels von Paris soll für Märtens der bedeutendste Tag seiner bisherigen Karriere werden.
Der Magdeburger ist der größte Goldkandidat der deutschen Schwimmer bei diesen Olympischen Spielen. Seit 1988 in Seoul ist kein deutscher Mann mehr Olympiasieger im Beckenschwimmen geworden. Die Chancen, dass es Märtens nun schafft, stehen gut. Niemand war in diesem Jahr auf seiner Paradestrecke schneller als er. Bei den deutschen Meisterschaften Ende April lag Märtens lange auf Weltrekordkurs, schlug am Ende nach 3:40,33 Minuten an.
Märtens: «Fabelzeit» nötig
Mit Kampfansagen hält er sich trotzdem zurück. Vor allem in den beiden Australiern Elijah Winnington und Samuel Short hat er starke Konkurrenten. «Ich traue uns zu, dass es einer schaffen könnte, aber man braucht eben eine absolute Fabelzeit, unter 3:40 Minuten», sagte Märtens der dpa zum Weltrekord. «Es wäre ein Traum, wenn ich das schaffen könnte, auch weil der Rekord dann in Deutschland bleiben würde.»
Mit den Gegebenheiten im Olympia-Pool hat sich Märtens bereits vertraut gemacht. Auch am Tag vor seinem Vorlauf am Samstagvormittag und dem angepeilten Finale am Abend (20.42 Uhr/ARD und Eurosport) zog er in der La Défense Arena seine Bahnen. In der riesigen Halle, die eigentlich ein Rugby-Stadion ist, können sich die Becken-Asse auf stimmungsvolle Wettkämpfe freuen – ganz anders als bei den Corona-Spielen 2021 in Tokio.
Gesundheitliche Probleme machen Märtens zu schaffen
Bei seiner Olympia-Premiere fiel Märtens noch nicht groß auf, sammelte aber wertvolle Erfahrungen. Seitdem hat er sich enorm entwickelt. Bei den Weltmeisterschaften 2022, 2023 und 2024 gewann er jeweils eine Medaille – und das, obwohl er schon länger mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat.
Eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung macht Märtens zu schaffen. Immer wieder musste er seinen Trainingsplan anpassen, Pausen einlegen. Demnächst steht ein Eingriff an. «Es sind mittlerweile sieben Antibiosen, die ich diese Saison schon nehmen musste und das ist absolut nicht gesund», sagte er. «Der Körper wird das in dieser Form wahrscheinlich nicht mehr lange mitmachen und deshalb muss es in jedem Fall angegangen werden.» Dem großen Ziel Olympia ordnet er vieles unter.
Deutsches Schwimm-Team so stark aufgestellt wie lange nicht
Bei den Spielen kann er sich auf besondere familiäre Unterstützung freuen. Leonie Märtens hat sich ebenfalls qualifiziert. «Es ist absolut was Besonderes und atemberaubend, dass es noch jemand aus der Familie geschafft hat», sagte Märtens über seine jüngere Schwester.
Die 20-Jährige zählt bei ihrem Olympia-Debüt nicht zu den Medaillenhoffnungsträgerinnen, insgesamt ist das deutsche Schwimm-Team aber so stark aufgestellt wie schon lange nicht. «Ich bin bei weitem nicht mehr der einzige Medaillenkandidat, wir haben jetzt zum Glück noch ein paar Namen mehr», sagte Märtens‘ Teamkollege Florian Wellbrock. Der 26-Jährige will über 800 und 1500 Meter Freistil im Becken angreifen und startet im Freiwasser als Tokio-Olympiasieger. Vor drei Jahren holte er zudem Bronze auf der längsten Beckendistanz.
Biedermann traut Märtens Weltrekord zu
Wellbrock schaut am Auftaktwochenende noch zu. Er ist am Montag erstmals gefordert. Weltmeisterin Angelina Köhler und Freistil-Spezialistin Isabel Gose springen dagegen bereits am Samstag erstmals ins Wettkampfbecken. Köhler hat über 100 Meter Schmetterling Medaillenchancen (Finale am Sonntag), Gose rechnet sich eher über die längeren Distanzen im weiteren Olympia-Verlauf etwas aus. Über 400 Meter ist die Konkurrenz wohl zu stark.
Topfavorit auf Gold ist aus dem deutschen Team allerdings nur Märtens. «Lukas hat das Talent und die Ambitionen und er ist einer der wenigen Schwimmer momentan, denen ich es zutraue, unter 3:40 Minuten zu schwimmen», sagte Biedermann. Sollte das klappen, wird es vielleicht auch etwas mit Märtens‘ Wunschschlagzeile. «Märtens holt Gold mit Rekord nach furiosem Rennen», lautet diese. «Das würde sich sicher ganz gut lesen», sagte Märtens. «Aber dafür muss ich noch einiges tun.»