WM-Aus unter Schmerzen: Boll tröstet sich mit Bronze
Welche Bedeutung Timo Boll für den Tischtennis-Sport hat, zeigte sich genau in dem Moment des verlorenen WM-Halbfinals. Der 19-jährige Schwede Truls Möregardh traute sich unmittelbar nach dem letzten Ballwechsel gar nicht, richtig zu jubeln.
Möregardh warf seinem 21 Jahre älteren Idol eine beinahe entschuldigende Geste zu. «Timo Boll ist ein Spieler, zu dem ich mein ganzes Leben lang aufgeschaut habe», sagte Möregardh. In der Nacht zu Montag beendete er Bolls Traum vom ersten Weltmeistertitel seiner Karriere in 4:3 Sätzen.
Man «schaut nachher, wo die Körperteile liegen»
Für den deutschen Rekord-Europameister und jetzt zweimaligen WM-Bronzemedaillen-Gewinner war es im George R. Brown Convention Center von Houston schon eine Leistung, überhaupt bis zu diesem Matchball durchgehalten zu haben. Boll führte bereits mit 2:0 und 3:2 Sätzen. Doch von den Schmerzen eine Bauchmuskelverletzung geplagt, griff er sich schon ab dem zweiten Durchgang immer häufiger mit verzerrtem Gesicht an den Körper und lief ab dem dritten Durchgang einigen Bällen schon gar nicht mehr nach. «Wenn man in einem WM-Halbfinale ist, zieht man einfach durch, gibt alles und schaut dann nachher, wo die Körperteile liegen», sagte Boll.
Was der Star von Borussia Düsseldorf der Fairness halber lieber für sich behielt, sprach dann am Montag sein Freund und bei dieser WM verletzt fehlende Nationalmannschafts-Kollege Dimitrij Ovtcharov aus: «Wenn sein Körper ein bisschen gesünder gewesen wäre, hätte er das Spiel gewonnen. Davon bin ich überzeugt.»
Ein Unterschied zwischen diesen beiden engen, in ihrem Wesen aber manchmal auch sehr verschiedenen Freunden ist: Ovtcharov hätte vermutlich eher damit gehadert, auf so schmerzhafte Weise sein erstes WM-Endspiel verpasst zu haben. Boll dagegen sah es so: «Ich bin glücklich, es geschafft zu haben, noch einmal bei einer WM eine Medaille zu gewinnen. Mit fast 41 kann man das wirklich nicht mehr erwarten.»
«Timo hat eine Spielintelligenz wie kein Zweiter»
Man übersieht bei ihm leicht: Boll stand vier Mal an der Spitze der Weltrangliste, holte acht EM-Titel im Einzel und zehn Medaillen mit der deutschen Mannschaft bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Eine Einzel-Medaille bei einer WM nahm er aber erst zum zweiten Mal nach 2011 in Rotterdam mit nach Hause.
Ovtcharov nannte das eine Wahnsinnsleistung»: mit 40 noch einmal eine WM-Medaille zu holen. Gerade wenn man auf das Alter seiner Gegner bei diesem Turnier schaut. Das waren zwei 19-Jährige in Halbfinale und 3. Runde, ein 21-Jähriger im Viertelfinale und ein 24-Jähriger in der 2. Runde. Einige von ihnen könnten seine Söhne oder zumindest Neffen sein. «Es ist einfach bemerkenswert, welches Level er noch immer hat», sagte Ovtcharov. «Ich habe schon 2012 gehört: Das ist seine letzte Chance bei Olympia. Oder 2017: Diese Heim-WM ist seine letzte Chance. Aber ich habe immer gesagt: Nein, Timo hat eine Spielintelligenz wie kein Zweiter.»
2031 die nächste Medaille «bei der Senioren-WM»
Boll selbst behält sich vor, noch so viele WM und EM und Olympische Spiele zu spielen, wie er Spaß und Kraft dazu hat. Und so lange das der Fall ist, bleibt sein Alter weiterhin nur der Gegenstand von Scherzen innerhalb des deutschen Teams.
«Ich mache immer Witze mit ihm, dass er 2028 noch bei Olympia in Los Angeles spielt. Ich bin auch weiterhin überzeugt, dass er 2024 in Paris am Start ist», sagte Ovtcharov. Die Variante des Bundestrainers Jörg Roßkopf geht so: «Timo hat 2011 in Rotterdam eine WM-Medaille geholt und zehn Jahre später wieder eine. Vielleicht holt er 2031 die nächste.» Ja klar, sagte Boll selbst dazu: «Bei der Senioren-WM.»