Hat gleich zu Beginn der Tischtennis-WM ein schweres Programm vor sich: Timo Boll. Foto: Michael Kappeler/dpa

Premiere für Boll und Co.: Erste Tischtennis-WM in den USA

Das hat selbst Timo Boll in seiner mehr als 20-jährigen Profilaufbahn noch nicht erlebt: An diesem Dienstag beginnt in Houston zum ersten Mal eine Tischtennis-Weltmeisterschaft in den USA.

Im scharfen Gegensatz zu ihrem geopolitischen Rivalen aus China sind die Vereinigten Staaten in diesem Sport noch ein Entwicklungsland. Nach Bolls eigener Erfahrung äußert sich das zum Beispiel auch darin, dass die durchaus enthusiastischen Zuschauer «manchmal mitten im Ballwechsel reinbrüllen».

Den Zuschlag für diese WM bekamen die Amerikaner trotzdem. Zum einen, um einen sportbegeisterten Markt zu erschließen. Und zum anderen, um an die «Ping-Pong-Diplomatie» vor genau 50 Jahren zu erinnern. Damals bauten Amerikaner und Chinesen ihre Spannungen mit Hilfe des Tischtennissports ab. Erst freundeten sich zwei Spieler beider Länder bei der Weltmeisterschaft 1971 an. Danach trafen sich auch die Staatsführer beider Länder zum ersten Mal.

Boll in Houston ein Medaillenkandidat

In Houston zählt der Europameister Boll allein deshalb zu den Medaillenkandidaten, weil im Einzel mehrere große Namen fehlen: Der Olympia-Dritte Dimitrij Ovtcharov aus dem eigenen Team ist wegen einer Knöchelverletzung nicht dabei. Titelverteidiger Ma Long und der ehemalige Weltranglistenerste Xu Xin wurden von den Chinesen nicht nominiert, um einigen jüngeren Spielern eine Chance zu geben.

Den Deutschen kommt das zumindest entfernt bekannt vor. Denn Anfang Oktober gewannen die Männer und die Frauen jeweils den Titel bei der Team-Europameisterschaft, obwohl Stars wie Ovtcharov, Boll, Petrissa Solja und Han Ying wenn auch aus eigenem Antrieb nicht mitspielten. Die «Helden von Cluj» hießen daraufhin Patrick Franziska und Nina Mittelham. Ihrem Verband bescherte das die zweite große emotionale Story nach Ovtcharovs teil epischen Auftritten bei den Olympischen Spielen kurz zuvor. Und sie selbst wollen diese Leistungen nun auch auf dem noch einmal deutlich höheren WM-Niveau bestätigen.

«Es war für mich super schön, die EM und auch das europäische Top-16-Turnier zu gewinnen. Gerade weil man sehen konnte: Die Anderen haben nicht mitgespielt – und auf mich ist trotzdem Verlass», sagte die 24 Jahre alte Mittelham der Deutschen Presse-Agentur. «Ich habe gezeigt, dass ich nicht nur eine Mitläuferin bin, sondern auch zu den Besten dazugehöre. Man hat mir immer nachgesagt, dass ich etwas unkonstant spiele und meine Leistung häufig nicht abrufen kann. Von daher hat mir dieser Erfolg viel Selbstvertrauen gegeben.»

Mittelham und Franziska im Dreifach-Einsatz

Mittelham und Franziska sind in Houston im Einzel, im Doppel und im Mixed am Start. Da bei dem Einzel-Wettbewerb einer WM mehr Chinesen, Japaner oder Südkoreaner (fünf pro Land) mitspielen als bei Olympia (drei pro Land), sind die Chancen, weit zu kommen, im Doppel und Mixed naturgemäß größer. So gewann Patrick Franziska bei der WM 2019 zusammen mit Petrissa Solja die Bronzemedaille im Mixed. Im Doppel schien damals sogar der WM-Titel möglich zu sein, bis sein Partner Timo Boll am Tag des Viertelfinals mit starkem Fieber aufwachte.

«Wir haben damals schon gesagt, dass wir noch einmal angreifen. Das werden wir nun in Houston tun», sagte der 29 Jahre alte Franziska. «Team-EM und Top 16 liefen für mich optimal. Jetzt bin ich sehr gut vorbereitet, gerade weil ich zuletzt so viele Matches gespielt habe.»