Lin Yun-ju (l-r), Truls Moregardh und Dimitrij Ovtcharov, alle von TTC Neu-Ulm, jubeln mit dem Champions-League-Pokal. In der Bundesliga spielt der Verein nicht mehr mit. Foto: Joaquim Ferreira/dpa

Düsseldorf und Neu-Ulm: Letzter Akt in der Champions League?

Saarbrücken (dpa) – Diese Geschichte hätte kein Drehbuch-Autor besser zuspitzen können. 2022 verpflichtete der Tischtennis-Club Neu-Ulm vier Weltklasse-Spieler, um den deutschen Serienmeister Borussia Düsseldorf herauszufordern. 2023 gerieten die Verantwortlichen beider Clubs dermaßen aneinander, dass sich die Neu-Ulmer aus der Bundesliga zurückzogen.

Und an Ostern 2024 könnte das letzte Spiel einer so kurzen wie turbulenten Ära nun ausgerechnet werden: ein Champions-League-Endspiel zwischen Borussia Düsseldorf und dem TTC Neu-Ulm (Ostermontag, 14.00 Uhr).

Beide haben sich für das Finalturnier der besten vier Teams am Sonntag und Montag in Saarbrücken qualifiziert. Der 16-malige Europapokalsieger Düsseldorf und sein Topstar Timo Boll treffen im ersten Halbfinale auf den TTC Wiener Neustadt (Sonntag, 13.00 Uhr). Dimitrij Ovtcharov und seine Neu-Ulmer müssen danach an dem Gastgeber und Titelverteidiger 1. FC Saarbrücken vorbei (Sonntag, 17.00 Uhr).

TTC-Profis spielten für Heimatclubs und wurden gesperrt

«Natürlich wollen wir es zum Abschluss packen», sagte Ovtcharov. In der Champions League ist das ehrgeizige Projekt des Medienunternehmers Florian Ebner nur noch dabei, weil man dort bislang auch ohne nationale Liga-Zugehörigkeit antreten durfte. Ab der nächsten Saison hat der Deutsche Tischtennis-Bund das durch eine Änderung seiner Statuten unterbunden. «Dann werden wir mit Tischtennis nichts mehr zu tun haben», sagte Ebner der Deutschen Presse-Agentur.

Um das ganze Zerwürfnis zwischen dem Ovtcharov-Club und dem Boll-Club zu verstehen, muss man ein Jahr zurückgehen, als sich beide schon einmal im Endspiel des deutschen Pokals (Sieger Neu-Ulm) und im Halbfinale der Champions League (Sieger Düsseldorf) gegenüberstanden. Für genau diese beiden Wettbewerbe hatte Ebner eine Weltauswahl mit Ovtcharov, dem Japaner Tomokazu Harimoto, dem Schweden Truls Möregardh und dem Taiwaner Lin Yun-Ju zusammengestellt.

Die lange Bundesliga-Saison interessierte den TTC-Boss nur am Rande, weshalb er seinen Stars nach dem gewonnenen Pokalfinale in eigener Halle erlaubte, auch noch für andere Clubs in ihrer Heimat zu spielen. Dass das gegen die geltenden Regeln verstieß, sah Ebner nicht so eng, die Tischtennis-Bundesliga (TTBL) aber sehr wohl: Ihr Sportgericht sperrte Harimoto, Möregardh und Lin für je zehn Spiele der darauffolgenden Saison 2023/24.

Turnierserie World Table Tennis als Zukunft?

Die Empörung der Neu-Ulmer über das Strafmaß ging so weit, dass sie ihren Bundesliga-Rückzug erklärten und dem Düsseldorfer Manager Andreas Preuß vorwarfen, als Aufsichtsrats-Chef der TTBL auf das harte Urteil eingewirkt zu haben, um einem Konkurrenten zu schaden. Preuß weist das entschieden zurück. Die langen Sperren hob ein Schiedsgericht auch sechs Monate später wieder auf. Doch da war der Rückzug schon perfekt.

Die Heftigkeit des Streits hat einen spannenden Kern dieser Auseinandersetzung stets überlagert: Wie gestaltet man die Zukunft eines Traditions-Wettbewerbs wie der Bundesliga, wenn sich die Sportart und das Konsumverhalten vieler Zuschauer erkennbar verändern? Das betrifft auch andere Sportarten.

Als Ebner die vier Topstars nach Neu-Ulm holte, war im Tischtennis gerade die neue Turnierserie World Table Tennis (WTT) gestartet. Ihr Versprechen war: deutlich mehr Geld und Aufmerksamkeit für die Spielerinnen und Spieler. Und die Befürchtung: Künftig bleibt für Tischtennis als Teamsport mit seinen Ligen und Europacups kaum noch Zeit.

Konflikt innerhalb der Liga bleibt

Allein in dieser Woche sind je zwei Spieler von Düsseldorf, Saarbrücken und Neu-Ulm noch bei einem WTT-Turnier in Südkorea aktiv. Und alle drei Clubs hoffen, dass sie rechtzeitig und halbwegs erholt zum Champions-League-Finale wieder zurück sind. Die Neu-Ulmer Vision zielte deshalb immer auf kürzere Team-Wettbewerbe mit attraktiverer Besetzung ab. «Der Grundkonflikt ist: Das Vereinswesen oder eine Eventisierung wie in der NBA – was setzt sich langfristig durch?», sagte Ebner.

Düsseldorfs Manager Preuß sieht das anders. Er stellt wie viele anderen in der Branche fest, dass die WTT-Serie noch nicht gehalten hat, was sie versprach. Schlechte Bezahlung, viel zu kurzfristige Planung – das ist die Realität.

«Für die Spieler ist das fatal», sagte Preuß der Deutschen Presse-Agentur. Aber Clubs wie Düsseldorf oder Saarbrücken profitieren insofern davon, dass sie als Arbeit- und Geldgeber immer noch deutlich attraktiver sind, als das vor zwei Jahren abzusehen war. Deshalb wollen sie das bestehende Liga-System eher stärken als aufweichen.

Ovtcharov will in Deutschland bleiben

«Es ist ein ständiges Ringen», sagte Preuß. «Es kann sein, dass in drei Jahren alles eintritt, was vorher angekündigt wurde. Dann hätte Herrn Ebners Modell eine ganz andere Grundlage. Dann rufe ich ihn an und sage ihm: Sie waren ein Prophet. Aber davon sind wir noch meilenweit entfernt. Tischtennis ist nicht Tennis oder Golf.» Aus seiner Sicht habe der TTC Neu-Ulm «einen Beitrag zu einer wichtigen Diskussion geleistet – aber im Ton falsch vorgetragen und mit dem Holzhammer durchgesetzt.»

Ovtcharov bedauert das sehr. «Wir hatten Spieler wie Lin Yun-Ju oder Harimoto in Deutschland, die jetzt nicht mehr in Deutschland spielen», sagte er. Der frühere Weltranglisten-Erste hat sich trotzdem zur Bundesliga bekannt. Statt in die chinesische Super League zu gehen oder sich nur auf seine Einzelkarriere zu konzentrieren, wechselt er im Sommer zum TTC Fulda-Maberzell.