Florian Hempel startet wieder bei der Darts-WM in London. Foto: John Walton/PA Wire/dpa

Entwicklung oder Stillstand? Heikle WM für deutsches Trio

London (dpa) – Die Ansage des langjährigen Dominators Michael van Gerwen war deutlich. «Manchmal spielen sie gut, manchmal reicht es einfach nicht. Sie müssen sich steigern», sagte der Niederländer über die deutsche Konkurrenz, die auch bis zur WM 2023 nicht in der Weltspitze angekommen ist.

Wenn sich in der Weihnachtszeit und rund um den Jahreswechsel wieder Millionen Zuschauer vor den deutschen TV-Schirmen versammeln, liegt das maßgeblich an der Show und dem Event – und weniger an der Hoffnung auf große deutsche Erfolge, die noch immer ausbleiben.

Gabriel Clemens und Martin Schindler gehen als Top-30-Spieler in die WM, das beschert ihnen ein Freilos in Runde eins. Den Auftakt in die geplanten Festwochen im Alexandra Palace macht am Freitagabend (22.00 Uhr/Sport1 und DAZN) der ehemalige Handball-Torwart Florian Hempel. Seinen Wechsel vom Handball zum Darts schilderte der 32 Jahre alte Kölner so: «Das kam durch einen Zufall. In der WG damals hing ein Darts-Board, da hat man alle drei Samstage gespielt. Das hat Spaß gemacht. Auf einer Acht-Euro-Scheibe von Aldi.»

Hoffnungsträger Hempel

Jetzt ist Hempel, der zum Start auf Englands Keegan Brown trifft, einer der großen deutschen Hoffnungsträger in London. Der «Kölsche Jung», wie sich Hempel selbst nennt, sieht durchaus Fortschritte in Deutschland. «Der deutsche Darts-Sport entwickelt sich weiter. Wir sind mit drei Teilnehmern bei der WM, zum ersten Mal auch mit zwei gesetzten Spielern. Das gab es bisher noch nicht. Dementsprechend entwickelt sich der Darts-Sport Richtung Weltspitze», sagte Hempel.

Doch bei der WM 2023 könnte es schnell düster werden: Der in diesem Jahr starke Schindler ist beim wichtigsten Turnier der Welt noch sieglos, auf die eher formschwachen Hempel (mögliche Runde zwei gegen Luke Humphries) und Clemens (mögliche Runde drei gegen James Wade) warten schon sehr früh echte Weltklassespieler aus England. «Die Entwicklung ist kontinuierlich, dennoch bräuchten wir mal einen, der den letzten Schritt bei einem großen Turnier geht», sagte Max Hopp. Er selbst kommt dafür aktuell nicht in Frage, weil er zum zweiten Mal in Serie die WM-Qualifikation verpasste.

Der Kontrast ist krass: Deutschland ist zwar hinter England klar der zweitgrößte Darts-Markt. Die Hallen sind voll, die Sponsorengelder fließen und am TV wird eifrig eingeschaltet. Nur der sportliche Erfolg bleibt – beispielsweise gemessen an den Niederlanden – weiter aus. Woran liegt es? Weltmeister Peter Wright aus Schottland sagte der dpa: «Ich denke, Deutschland packt zu viel Druck auf seine Spieler. Max Hopp ist dafür ein gutes Beispiel. Er kann immer noch ein großes Comeback feiern, ist aber ganz schön abgerutscht. Deutschland macht zu viel Druck, statt eine natürliche Entwicklung abzuwarten.»

Potential ist vorhanden

Wie viel Potenzial da ist, bekam «Snakebite» (Schlangenbiss) Wright vor zwei Jahren zu spüren, als er in einem Darts-Krimi bei der WM dem deutschen Primus Clemens unterlag. Mit Ausnahme von saloppen Witzen («Ich fahre gerne Achterbahn») hat der Saarländer aber auch keine richtige Erklärung für seine schwankenden Leistungen parat.

Die Themen Druck und Mentalität spielen im deutschen Darts-Cosmos in jedem Fall eine große Rolle. «Es ist von der Psyche her gar nicht so einfach, wenn man gefeiert wird, als wäre man der Größte, obwohl man im Darts noch einige Schritte nach oben braucht», sagte Schindler, der selbst ein rasantes Auf und Ab hinter sich hat. Nach Niederlagen bei der WM 2018, 2019 und 2022 soll es nun endlich mit dem ersten Sieg im «Ally Pally» klappen.