Silber für Lange – Gladiator Frodeno von «Löwen gefressen»
Nizza (dpa) – Jan Frodeno zog die Kappe, verneigte sich vor seinen Fans, er herzte seine Familie und schritt trotz eines so bitteren Karriere-Finales mit einem Lächeln zum letzten Mal über die Ziellinie der Ironman-Weltmeisterschaft.
«Ihr seid wundervoll», sagte er in Richtung der Fans in Nizza. «Ich verdanke Euch alles. Es war so eine unglaubliche Reise. Ich bin ein Gladiator. Beim letzten Rennen haben mich die Löwen dann doch gefressen.»
Er wollte mit dem Titel abtreten. Er verabschiedete sich mit Platz 24 bei der ersten Ironman-WM an der Côte d’Azur. «Aber das ist okay, ich bin bei dem gestorben, was ich mein Leben lang gemacht habe. Ich bin ein glücklicher Kerl», sagte Frodeno, der schon an diesem Montag Ex-Profi ist. 15 Jahre nach seinem Olympiasieg von Peking, dem Karriere-Beschleuniger schlechthin, blieb ihm die vierte Ironman-Krönung nach 2015, 2016 und 2019 versagt. Nach quälenden 8:48:42 Stunden endete die Karriere des Triathlon-Superstars. Und er trat mit Anstand und innerem Frieden ab.
Gratulant Lange belohnt sich mit Silber
Als erster im Ziel gratulierte Landsmann Patrick Lange dem 42 Jahre Rivalen mit einer innigen Umarmung. «Ich freue mich, mit ihm heute Abend ein Bier trinken zu können», sagte er. Beide hatten dafür genug Gründe. Frodeno, weil es nach mehr als 20 Jahren Hochleistungssport nun vorbei ist und er mehr Zeit mit seiner Frau und den beiden Kindern verbringen kann. Lange, weil er sich in einem schweren Rennen mit der Silbermedaille belohnte und sich überglücklich mit Deutschland-Fahne auf den letzten Metern feiern ließ. «Ich wusste, dass das heute der härteste Ironman wird, den ich je gemacht habe», sagte er dem Hessischen Rundfunk: «Es war sauhart.»
Es wurde eine packende und trotz aller vorhergehender Kritik würdige WM-Premiere außerhalb Amerikas für die Männer, die Frauen starten im kommenden Monat im Triathlon-Mekka Hawaii. Und wie dort schon dreimal – 2016 als Dritter, 2017 und 2018 als Erster – schaffte es Lange vor allem dank seiner famosen Laufqualitäten auch in Nizza aufs Podest.
Mit knapp 13 Minuten war der 37-Jährige nach den 3,86 Kilometern Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren als Neunter auf die abschließenden 42,2 Kilometer gestartet. Am Ende fehlten ihm auf den Franzosen Sam Laidlow, der mit 24 Jahren jüngster Ironman-Weltmeister wurde, 3:55 Minuten. Dritter wurde der Däne Magnus Ditlev (25).
Frodeno hadert auf dem Rad
Während die Drei auf dem Podium das erste Feierabend-Bier genossen oder sich gegenseitig über den Kopf gossen, war Frodeno noch auf der Laufstrecke. Bevor er den letzten Marathon seiner Triathlon-Karriere abgeschlagen in Angriff genommen hatte, war er zu seiner Familie hinter der Absperrung gegangen: Seelenbalsam am Tag des Leidens. «Das ist Jan. Das zeichnet ihn aus», sagte seine Mutter. «Emotional ist es ein sehr schwerer Tag», sagte der Vater. Ex-Rivale Sebastian Kienle stockte als TV-Experte sogar die Stimme: «Mir kommen da echt die Tränen.»
Für Frodeno ging es mit goldener Kappe in seinen letzten Arbeitstag. Um 06.50 Uhr begann, was er sich ganz anders vorgestellt hatte. Sein letztes Rennen hatte Frodeno zur Mission Mondlandung erklärt. Er hob aber gar nicht ab.
Beim Schwimmen lief noch alles nach Plan, er kam als Dritter aus dem Mittelmeer. Lange hatte über eine Minute Rückstand, war 13. nach den ersten knapp vier Kilometern. Um den engen Aero-Anzug über die nasse Haut zu bekommen, hatte Frodeno eigens zwei kleine Plastiktüten eingesteckt, dennoch büßte er ein bisschen Zeit beim Umziehen ein und riss sich sogar ein Loch in den Hightech-Stoff. Lange ging eine Minute nach seinem Landsmann auf den ausgesprochen schweren Radkurs.
2400 Höhenmeter, lange Anstiege, rasante und gefährliche Abfahrten – für die wunderschönen Aussichten im Tour-de-France-Stil blieb den Profis und auch über 2000 Altersklassenathleten keine Zeit. Massive Kritik hatte es nach der Entscheidung gegeben, den WM-Titel der Männer nicht in Hawaii, sondern in Nizza zu vergeben und damit erstmalig seit der Premiere 1978 die USA zu verlassen.
Lange sichert sich im Laufen Silber
Mit dem eigentlich geplanten Karriere-Finale in Hawaii im vergangenen Jahr war es für Frodeno nach einem Teilriss der Achillessehne zu Saisonbeginn, einer Blutvergiftung und schweren Hüftproblemen nichts geworden. Umso intensiver, umso größer, umso ersehnter war die erneute Kür zum Ironman-Champion in seinem letzten Profi-Rennen.
Ein Happy End wurde es aber nicht, auch wenn er glücklich wirkte und mit sich im Reinen. An die Spitze setzte sich Laidlow recht schnell und drückte aufs Tempo. Der Hawaii-Zweite von 2022 zog allen davon und kam mit deutlichem Vorsprung auf seine Verfolger in die zweite Wechselzone. Da hatte Frodeno noch ein paar Kilometer auf seinem speziell lackierten Rad vor sich. Zunächst noch vorn dabei, fiel er stetig zurück. Bei Kilometer 53 auf dem Rad waren es 4:40 Minuten, bei Kilometer 94,5 knapp zehn Minuten.
Lange hatte längst auch zum großen nationalen Konkurrenten aufgeschlossen und nutzte einen weiteren Anstieg, um Frodeno hinter sich zu lassen. «Es ist sicherlich nicht der Jan-Frodeno-Tag, wie wir ihn kennen. Das tut mir in der Seele weh», sagte sogar Langes Coach Björn Geesmann, der sich einen Showdown der beiden Deutschen auf dem letzten Laufkilometer gewünscht hatte. Doch während Lange seine famosen Laufqualitäten ausspielen konnte, verabschiedete sich Frodeno zwar chancenlos, aber mit Würde.