Jubel, Tränen und Kollaps beim deutschen Hawaii-Doppelpodium
Kailua-Kona (dpa) – Vizeweltmeisterin Anne Haug strahlte übers ganze Gesicht und dachte schon ans Essen am Abend. Laura Philipp kollabierte hingegen und musste ihre Party erst mal verschieben.
Beim mitreißenden Weltmeisterschaftsrennen in der Gluthitze von Big Island bekam vor allem die Podestdebütantin die ganze Härte des Ironman in Hawaii zu spüren. Nach einem hochemotionalen Zieleinlauf beim Rennen allein unter Frauen weinte die 36 Jahre alte Profi-Triathletin aus Heidelberg zunächst in den Armen von Trainer und Ehemann Philipp Seipp, später erlitt sie einen Zusammenbruch.
«Leider bin ich zwei Stunden nach dem Zieleinlauf im Medizinzelt geendet», erklärte Philipp via Instagram. Sie fühle sich aber langsam wieder besser, gefeiert werden soll am nächsten Tag.
Streckenrekord beim Marathon
Sie und Haug hatten zuvor Großes geleistet. Haug rannte mit Streckenrekord beim Marathon bis auf Rang zwei vor und Philipp machte als Dritte das erste schwarz-rot-goldene Doppelpodium der Frauen in Hawaii perfekt. «Das ist ein mega deutsches Ergebnis», betonte Haug. Nur eine war an diesem Tag im Sehnsuchtsort von Touristen und Triathleten nicht zu schlagen: Lucy Charles-Barclay. Die 30 Jahre alte Britin beendete ihren Siegfluch nach vier zweiten Plätzen über die 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen.
Eskortiert von drei Männern in Hawaii-Shorts und Fackeln in der Hand überquerte sie als triumphale Erste bei der Premiere des reinen Frauen-WM-Rennens die Ziellinie in Kailua-Kona. Anders als vor vier Jahren, als Haug sie beim Laufen noch eingeholt hatte, schaffte es Charles-Barclay diesmal und durfte sich auch über die Siegprämie von 125.000 US-Dollar freuen, für Haug blieben 65.000, für Philipp 45.000.
«Ich habe auf dem Ali’i Drive noch über die Schulter geschaut und gedacht, da kommt Anne noch», erzählte Charles-Barclay danach. Haug kam aber erst mit drei Minuten Rückstand ins Ziel, neun hatte sie beim Marathon allerdings aufgeholt und fürs finale Teilstück 2:48:23 Stunden benötigt – nie war eine Frau in Hawaii schneller.
Start-Ziel-Siegerin
Das traf auch auf die Gesamtzeit von Charles-Barclay zu, die für ihren Start-Ziel-Sieg 8:24:31 Stunden benötigte. «Sprachlos», schrieb ihr Trainer Dan Lorang, der auch der Coach von Haug ist, bei Instagram. Nach einem Ermüdungsbruch in der Hüfte im vergangenen Jahr ließ sich Charles-Barclay in dieser Saison auch von einem Ermüdungsbruch im Fuß im ersten Halbjahr nicht stoppen. Die WM war ihr erstes Rennen 2023 über die volle Distanz. Und was für eins.
«Lucy war unschlagbar», betonte Haug, die ihrerseits nicht weniger happy war: «Ich hätte nichts besser machen können. Und mein Medaillensatz ist jetzt komplett». Neben dem Triumph 2019 hatte sie dreimal Platz drei belegt, bei allen fünf vergangenen Weltmeisterschaften stand die mittlerweile 40-Jährige auf dem Podium.
Während das Rennen für Haug zunächst einen optimalen Verlauf genommen hatte, konnte Philipp nach dem traditionellen Kanonenschuss zur Rennfreigabe um 06.25 Uhr Ortszeit ihren Plan nicht wie erhofft umsetzen. Mit 24 lernte sie erst richtig Schwimmen, gegen eine ehemalige Olympia-Kandidatin wie Charles-Barclay hat sie keine Chance. Dass sie aber noch weiter abreißen lassen musste und mit über sieben Minuten Rückstand aus dem 24 Grad warmen und wellenmäßig recht gnädigen Pazifik stieg, war eine Bürde fürs Radfahren.
Haug hatte gut vier Minuten hinter der Spitze gelegen, aber sich in einer Gruppe mit äußerst starken Radfahrerinnen gehalten. Doch Philipp, die vor einem Jahr nach einer Zeitstrafe wütende und enttäuschte Vierte wie schon 2019 geworden war, kam ran und überholte Haug sogar. Als Dritte rannte sie über zehn Minuten nach Charles-Barclay los, auch noch hinter der amerikanischen Hawaii- und Ironman-Debütantin Taylor Knibb. Sie hatte die Qualifikation durch den WM-Titel über die halb so lange Distanz geschafft.
Rang vier drohte wieder
«Das Laufen war für mich ein bisschen eine Wundertüte», erzählte Philipp der ARD. Sie musste Haug, die über zwölf Minuten nach der Spitze auf die Laufstrecke geeilt war, dann doch wieder ziehen lassen, wieder drohte Rang vier. Sie habe gesehen, dass es Knibb, die mittlerweile auch von Haug passiert worden war, nicht mehr so gut ging und sich gedacht: «Obwohl ich auch nur noch krieche, kann ich mich irgendwie rankriechen.»
Wenige Kilometer vor dem Ziel schaffte sie es, und angekommen nach einem langen und brutal harten Arbeitstag bei Temperaturen über 30 Grad und rund 70 Prozent Luftfeuchtigkeit, brachen die Gefühle aus ihr raus. Philipp formte ein Herz mit den Händen für ihren Mann und Trainer, beide umarmten sich innig. «Ich war sehr emotional. Ich musste echt sehr, sehr, sehr kämpfen.»